35.000.000 Blüten für den Kaiser
Hallo ihr Lieben,
in diesem Monat wird der Japanische Garten des zusammenfließenden Wassers 20 Jahre alt.
Schauen wir uns etwa Schlossgärten an, ist das nicht wirklich alt. Der Garten von Schloss Sanssouci in Potsdam ist mit seinen 276 Jahren dagegen ein echter Veteran. Aber immerhin könnte man sagen, der Japanische Garten ist volljährig und hat schon ganz schön viel erlebt. Auch durch ihn sind schon Kaiser und Staatsoberhäupter gewandelt. Sein wichtigster Besucher war im Jahre 2011 seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz von Japan, der heutige Kaiser Naruhito der seit 2019 den Chrysanthemen-Thron innehat.
Diesen Besuch werde ich aus zwei außergewöhnlichen Gründen immer in Erinnerung behalten: Erstens hatte ich die große Ehre seine Exzellenz durch den Garten führen zu dürfen und zweitens brachte ein Frauenchor, der seiner Exzellenz ein nicht eingeplantes Ständchen gesungen hat, alle protokollarischen Zeitpläne durcheinander. Der Kronprinz hat sich davon jedoch nicht beirren lassen und mit dem bestimmt strahlendsten Lächeln seines gesamten Berlin-Aufenthaltes diese Situation genossen. Für die Protokollabteilung des Landes Berlin und die begleitenden Sicherheitskräfte war das jedoch ein Albtraum – und auch heute wird noch von dieser Situation berichtet.
Überraschende Ausblicke
Wie alle wichtigen Gärten hat auch unser Japanischer Garten einen vielsagenden Namen. Diesen erhielt er von seinem Schöpfer Shunmyo Masuno, einem bedeutsamen japanischen Zen-Priester und Gartenarchitekten, der auch als „Japans führender Gartendesigner“ bezeichnet wird. Der Name steht sinnbildlich für die Verschmelzung der Elemente. Unsere Besucher*innen sollen in diesem Garten des Schweigens und Schauens ihre Harmonie finden. Besonders deutlich wird dieses während der Schönheit der Sakura – also der Kirschblüte, in unmittelbarer Nähe des kleinen Bachlaufes und durch die „Shakkei“ – die „geborgte Landschaft“. Das bedeutet, dass durch eine bestimmte Blickachse die Umgebung unmittelbar in den Garten miteinbezogen wird und dieser dadurch optisch wesentlich größer wirkt. In unserem Garten zeigt diese Blickachse zwei balancierende Figuren auf den 11-geschossigen Wohnhochhäusern jenseits unseres Parks – ein wirklich überraschender Blick zwischen den großen Lebensbäumen, die den Garten umgeben.
Kirschblütenlimo?!
Wusstet ihr, dass die Kirschblüte die Nationalblume Japans ist? Kein Wunder bei dieser einzigartigen Schönheit. Bestimmt weniger bekannt ist, dass die Blütenblätter auch für die leckeren Mochi Wraps – die kleinen süßlichen Reiskuchen – oder als Aromageber für eine Vielzahl von Speisen und Getränken verwendet werden, zum Beispiel die Sakura-Cola.
In Japan stürmen im März und April Millionen Menschen zum Hanami – dem „Blütenschauen“ in Parks und Gärten. Dort wird das Ereignis schon seit mehr als 1.000 Jahren kollektiv gefeiert und die besonderen Liebhaber der Blüte reisen den aufgehenden Knospen sogar hinterher. Gemeinsam mit der vergänglichen Schönheit der Blüte, den gut ausgestatteten Picknickkörben, dem reichlich fließenden Reiswein und dem Volkslied „Sakura, sakura“ wird unter dem Frühlingshimmel ausgiebig gefeiert.
Unser erstes Sakura in den Gärten der Welt feierten wir gemeinsam mit Herrn Takahashi, Kulturattaché der Botschaft Japans, und seiner Gattin im Jahr 2004. Ausgerüstet mit Bento-Boxen, den traditionellen mit Reis, Fisch, Gemüse und sonstigen Beilagen gefüllten, zahlreichen stapelbaren Dosen, zelebrierten wir unter den Kirschbäumen des Gartens das Blütenschauen auf einer Picknick -Decke.
Hanami - aber richtig!
Zum 16. offiziellen Kirschblütenfest erblühten auch in den Gärten der Welt alle 100 Kirschbäume in und am Japanischen in ihrer ganzen Pracht. Manche früh – manche spätblühend. Geht man nun davon aus, dass eine Zierkirsche im Durchschnitt 350.000 Blüten trägt, sind das insgesamt ca. 35.000.000 Blüten – also im Schnitt zehn für jede Einwohner*in Berlins.
Wer einen besonders schönen Platz unter den Kirschbäumen erhaschen möchte, sollte sich rechtzeitig seine Decken ausbreiten. Ganz in der Tradition der Japaner*innen solltet ihr dann eure Schuhe ordentlich aufgereiht am Deckenrand stehen lassen und das Hanami-Fest beginnen. Beeilt euch, denn die einzelne Kirschblüte blüht nur ungefähr drei Tage…
Eure Beate Reuber
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