Harte Winterzeiten und dicke Handschuhe
Hallo ihr Lieben, heute reisen wir gar nicht weit – wir bleiben in Europa und erkunden unseren Christlichen Garten, der den europäischen Kulturkreis repräsentiert. Wie die Idee zum Christlichen Garten entstand und wie der Garten dann schlussendlich gebaut wurde, ist eine ganz eigene Geschichte.
Mit der Eröffnung der Gärten aus China, Japan und Bali in den 2000er Jahren zeigte sich deutlich, dass die Begeisterung der Berliner*innen und die der Gäste der Stadt für ferne Länder, fremde Kulturen und Gartenkunst ungebrochen war. Von Jahr zu Jahr und nach jeder neuen Garteneröffnung stiegen die Besucher*innenzahlen in den Gärten der Welt.
Aus vier Gärten wurden viele
Die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen vier Themengärten wurden von unterschiedlichen Religionen und deren Zusammenspiel mit der Gartenkultur geprägt.
Ganz deutlich ist das im Japanischen Garten mit seinem, dem Zenbuddhismus entliehenen, geharkten Kiesgarten zu sehen. Aber auch im Chinesischen Garten, der durch den Taoismus beeinflusst wird und im Balinesische Garten, der eine ganz eigene Form des Hinduismus zeigt, sind die religiösen Hintergründe sehr deutlich.
Die Gärten der Welt entwickelten sich zu einem stetig wachsenden Besucher*innenmagneten mit Platz und Potenzial für weitere Gärten. Sollten anderen Gärten, anderen Kulturen oder anderen Religionen die Tür geöffnet werden? Die Entscheidung war schlussendlich gar nicht schwer – gab es doch schon in der Historie Gärten die sowohl eine besondere Gestaltung als auch einen religiösen Hintergrund hatten: Islamische Gärten. Diese sind aus der Entwicklungsgeschichte der Gartenkunst gar nicht wegzudenken, zeigen sie doch kleine Paradiese auf Erden, die sehr deutlich durch den Islamischen Glauben beeinflusst werden.
Wie wir Gartengestaltungs-Neuland betraten
Mit dieser Entscheidung für einen Garten mit monotheistischem Hintergrund betraten wir allerdings Neuland, denn Gärten für einzelne Religionen waren bis dahin weltweit nicht verbreitet. Mit der Eröffnung des Orientalisch-Islamischen Gartens 2005 wurde somit ein erster Meilenstein gesetzt, der zunächst zum Bau des Christlichen Gartens und später zur Realisierung des Jüdischen Gartens führte.
Schaut man in die Geschichte der Gartenkunst stellt man fest, dass es gar keine typischen Gärten des Christentums gibt, und ein durchgeführter landschaftsarchitektonischer Wettbewerb zeigte eine Vielfalt möglicher Gestaltungsansätze. Letztendlich fiel die Entscheidung der mit Vertreter*innen aus Fachkreisen, Senat und Kirchen besetzten Jury auf den heutigen Christlichen Garten des „geschriebenen Wortes“. Bei genauer Betrachtung seht ihr Zitate – von Bibelversen des Alten und Neuen Testaments über Zitate von Goethe und Luther bis zu Textzeilen aus dem Popsong "Wind of Change" der Scorpions. Damit wird daran erinnert, dass das Christentum eine Religion der Bücher und der Schrift ist.
Herausforderungen mit Happy End
Der eigentliche Bau des Christlichen Gartens war eine echte Herausforderung. Erstmals sollte eine Aluminium-Legierung aus dem Flugzeugbau in Form von Groß- und Kleinbuchstaben, diversen Zeichen und Querstreben für eine Pergola verwendet werden. Dabei waren die Schriftzeichen selbst statisch tragender Bestandteil der Konstruktion. Und ganz wichtig – es mussten immer sechs der senkrecht verlaufenden Buchstabenbestandteile auf einem Meter angeordnet sein und komplett an die waagerecht verlaufenden Zwischenstreben angeschlossen werden. Und dann sollte es noch ein besonderes Schriftbild sein.
Diese ganzen Besonderheiten trugen dazu bei, dass sehr viel mehr Prüfungen zur Trag- und Windlast sowie zur Statik durchgeführt werden mussten.
Das wiederrum führt dazu, dass die Herstellung der einzelnen Metall-Teilstücke erst viel später begonnen werden konnte als geplant. Da jedoch der Eröffnungstermin schon feststand und publiziert wurde war das fatal. Ich verneige mich deshalb auch heute noch vor der ausführenden Firma. Diese war so überzeugt von Material und Bauweise, dass sie ohne erteilte Baugenehmigung mit der Ausführung der Metall-Teilstücke begannen, diese schon vor Ort montierte und als einzige Firma in einem wirklich sehr strengen Winter bei z. T. zweistelligen Minusgraden, 50 cm hohen Schneebergen und mit drei Paar Handschuhen übereinander, an der Fertigstellung arbeitete.
Tschüss und bis bald – zur nächsten Geschichte
Eure Beate Reuber
Schreibt mir bei Fragen oder Anmerkungen gerne eine E-Mail
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